Wie wir nach England fuhren und unsere Spinnerei kennen lernten

Nachdem wir nun eine potenzielle GOTS-Spinnerei gefunden hatten, war klar, wir mussten hin, um ihre Arbeitsweise genauer kennen zu lernen und besser einschätzen zu können, ob sie die Richtigen für uns waren. Wir recherchierten also wieder, sortierten unsere Wollproben, bereiteten die Spezifikation unseres Wunschgarnes in zwei Stärken vor und buchten den Flug.

Wolle in der Spinnerei

Man hatte uns nach guter englischer Art versichert „to have tea and cake ready“, wenn wir nach der 4,5-stündigen Autofahrt vom Flughafen in Cornwall ankommen würden. Das ging dann aber leider völlig unter weil wir gleich in das mehrstündige Meeting starteten, bei dem wir mit glühenden Köpfen diskutierten, wie nun das Wunschgarn technisch hinzubekommen sei. Es herrschte eine angenehme Atmosphäre, bei der uns die Besitzerin barfuss in ihrem Büro mit vielen Schafrassen-Plakaten an den Wänden gegenüber saß und uns der technische Leiter mit starkem Akzent und kleinen Wollflöckchen an der Hose begeisterte. Bis in den Abend hinein sprachen wir noch über Farben und andere wichtige Themen – eins war klar: Das war ein Ort an dem man Wolle sehr ernst nahm!

Es folgte ein weiteres Treffen am nächsten Tag, bei dem man uns die Spinnerei zeigte und alle Prozesse genau erklärte, wobei alles ganz ähnlich aussah und roch wie in der Spinnerei meiner Eltern und Großeltern, die ich in meiner Kindheit erlebt hatte. Ich fühlte mich schon fast zuhause!

Schließlich einigten wir uns auf die Spezifikationen für unsere Garne. Genauso wie die mitgebrachten Wollen würde sie nicht aussehen können, das würden ihre Maschinen nicht schaffen, aber wir fanden eine alternative Lösung.

Wir fuhren zuversichtlich nach München zurück, aber die Spannung blieb natürlich erst mal. Einige Tage später dann der Schock: Bei den extra für uns produzierten Garnproben war nichts von der beabsichtigten Weichheit zu spüren! Die Strickprobe mit diesen Garnen war viel zu hart! Auch die anderen mitgeschickten Varianten waren nicht annähernd das, was wir uns unter höchster Qualität vorstellten. Woran lag es, was war falsch an der Spezifikation oder an der Herstellungsart? Oder lag es doch nur an den 23 Micron der fremden Probe-Wolle?

Wir arbeiteten uns immer tiefer in Spinnereiverfahren und Garneigenschaften ein, bis wir klarer sahen: Unsere weichere Wolle (19,5 Micron) alleine würde die Qualität nicht verbessern. Durch die Stärke des Zwirnens und die hohe Anzahl einzelner Garne ging offenbar zu viel Weichheit verloren. Es folgten nervenaufreibende Anstrengungen und viel Kommunikation, um eine neue Spezifikation für beide Garnstärken auszuarbeiten.

Es waren schließlich drei Faktoren an denen wir ansetzen konnten: die Dicke und Anzahl der einzelnen Garne, sowie die Art wie sie verzwirnt wurden. Wir vertrauten darauf, dass sie es mit diesen Änderungen nun schaffen würden! Wir vereinbarten, dass wir nochmals hinkommen würden, sobald unsere Rohwolle eingetroffen war und sie daraus verschiedene Proben gesponnen hatten. Die Proben liessen wir aus dem Vorlauf herstellen, der sowieso anfällt wenn die Spinnerei nach einer Nicht-Bio-Produktion wieder GOTS-konform spinnt. In unserem Fall waren es 16 Kilo.

Unnötig zu betonen, dass wir schlaflose Nächte hatten, bis es endlich soweit sein würde und wir das Ergebnis bei unserem nächsten Besuch vor Ort würden bestaunen können.