„Bitte… zeichne mir ein Schaf!“
– „Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, steckt da drin.“
Eine großartige Antwort! Die Kiste mit den Luftlöchern bietet dem Kleinen Prinzen – genau wie den jungen und alten Lesern des Klassikers von Antoine de Saint-Exupéry – unendlich viel Raum für Fantasie und regt die Vorstellungskraft an. In der Kiste ist somit nicht nur Platz für das typisch woll-weiße, rundlich-kuschelige Schaf, dessen Bild den meisten von uns wahrscheinlich zu allererst in den Kopf kommt.
Nein, in der Kiste ist auch ausreichend Platz für all die vielfältigen alten Schafrassen, die mit ihren unterschiedlichsten optischen Erscheinungsformen und ganz speziellen Eigenschaften besonders gut an bestimmte geographische Gegebenheiten angepasst sind und leider zu sehr in Vergessenheit gerieten – ihr Platz ist heute vor allem auf der Roten Liste.
Schutz seltener Schafrassen in Deutschland
Das Alpine Steinschaf ist die historische Ausgangsrasse der Bergschafzucht im Ostalpenraum. Gesamtbestand (2013): 68 Böcke, wie hier im Bild, und 693 Muttertiere. Quelle: TGRDEU; Foto: Feldmann (GEH)
Jede Woche stirbt auf unserer Erde mindestens eine Nutztierrasse aus, darunter also auch Schafe. Auf der Homepage der Zentralen Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland, kurz TGRDEU, werden 86 verschiedene einheimische sowie eingeführte Schafrassen aufgeführt, die derzeit im Bundesgebiet gezüchtet werden.
18 von ihnen sind laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V., kurz GEH, aktuell vom Aussterben bedroht. Extrem gefährdet sind das Alpine Steinschaf, das Brillenschaf, das Leineschaf, die weiße gehörnte Heidschnucke, das schwarze Bergschaf sowie das Deutsche Karakulschaf. Vier weitere Rassen sind stark gefährdet, sechs weitere gelten als gefährdet, zwei befinden sich in der Vorwarnstufe.
Das Brillenschaf kam Ende des 19. Jhd. von Kärnten/Österreich bis nach Oberbayern. Durch „Rassebereinigung“ Ende der 30er Jahre nahezu ausgerottet. Quelle: GEH; Foto: Feldmann (GEH)
„Seit dem Ende des 2. Weltkrieges hat eine starke Veränderung im Bereich der Nutztierhaltung eingesetzt. Der Großteil dieser Tierbestände setzt sich aus einigen wenigen Hochleistungs-Tierrassen zusammen.“, so die Erklärung der GEH, die seit ihrer Gründung 1981 erfreulicherweise dafür sorgte, dass in Deutschland keine weitere Nutztierrasse mehr ausstarb. Das ist ein großer Erfolg, denn die „alten Rassen sind Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses, über Generationen und Jahrhunderte gezüchtet, und prägen ihr Verbreitungsgebiet in vielfältiger Weise. Sie sind damit ein zu schützendes Kulturgut […]“, heißt es dort weiter.
Problematisch ist, dass das Leistungsvermögen dieser bodenständigen Rassen – etwa die Langlebigkeit, Widerstandsfähigkeit oder die besondere Produktqualität – oftmals nicht beachtet wird, und so sind es hauptsächlich einige traditionsbewusste Landwirte und Idealisten, die die Restbestände erhalten und die Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam machen. Der Besuch von Arche-Projekt-Höfen sowie eine Tierpatenschaft bietet interessierten Menschen die Möglichkeit, etwa mit bedrohten Schafrassen in Kontakt zu treten und sich näher über die Situation zu informieren.
Schutz seltener Schafrassen in Großbritannien
Großbritannien verfügt wahrscheinlich über die größte Anzahl heimischer Schafrassen weltweit und es ist bekannt, dass die Schafzucht eine wichtige Rolle in der Geschichte des Landes spielt. Dennoch steht das Vereinigte Königreich heute vor vergleichbaren Herausforderungen wie Deutschland. Aus diesem Grund hat sich der Rare Breeds Survival Trust, kurz RBST, – das britische Pendant zur GEH – ebenfalls den Schutz der bedrohten Haus- und Nutztiere auf die Fahnen geschrieben. Unterschieden wird bei der sog. watchlist in ähnlichen Kategorien, wobei sich derzeit keine Schafrasse im kritischen Zustand befindet und nur die Boreray-Schafe als gefährdet gelten. 16 Rassen – darunter etwa die Leicester Longwool, die Whitefaced Woodland Schafe sowie die Manx Loaghtan – zählen jedoch zu den verwundbaren- bzw. Risikogruppen. Erfreulicherweise berichtet der RBST jedoch auch von zahlreichen Erfolgsgeschichten, etwa im Falle der Hebridean, Jacob und Shetland-Rassen, dessen Zahl zwar noch immer relativ gering, jedoch dank des Bemühens wieder deutlich angestiegen ist.
Für Tierfreunde, Wollliebhaber und alle, denen der Erhalt der Biodiversität sowie des kulturellen Erbes am Herzen liegt, bieten die Seiten der vorgestellten Organisationen sehr empfehlenswerte Informationen. Es bleibt zu hoffen, dass die Existenz und Bedeutung jeder einzelnen dieser besonderen Schafrassen mehr in das Bewusstsein – „die Kiste“ – der Menschen rückt, um dem weiteren Anwachsen der Roten Liste entgegenzusteuern und die Vielfalt zu würdigen.
„Das ist ganz so, wie ich es mir gewünscht habe. Meinst du, dass dieses Schaf viel Gras braucht?“