Linda Cortright, die Rosy und Patrick im Frühjahr auf dem Sheep & Wool Festival in Maryland kennengelernt haben, bringt mit ihrem Wild Fibers Magazine gleich zwei Herzen in meiner Brust heftig zum Schlagen: Das der Kulturgeographin und das der Strickerin.
Kein Wunder, denn die englischsprachige Fachzeitschrift wird oft als „National Geographic of Fibers“ bezeichnet, da sie die Leser durch wunderbare Fotografien und interessante Berichte in die große, bunte, vielfältige Welt der Fasern entführt. Ich bin mir sicher, dass auch Nicht-GeographInnen dieses Heft lieben werden…
Bei Wild Fibers handelt es sich um ein Magazin, das seit Januar 2004 viermal jährlich erscheint und so voller Leidenschaft steckt, wie die Fotografin, Redakteurin und Verlegerin selbst. Die Amerikanerin Linda Cortright ist mit Herzblut bei der Sache und macht sich regelmäßig auf außergewöhnliche Reisen in die abgelegensten Winkel dieser Erde, um dort Menschen zu besuchen, deren Leben sich auf unterschiedlichste Weise um natürliche Fasern dreht.
Nach dem Motto „learning by doing“ lässt sie sich voll und ganz auf die fremde Umgebung ein – sie schläft in Jurten, kämmt Kamele und spinnt Kaschmir-Fasern. In der Tat ziemlich wild! Linda Cortright ist immer mitten drin im Geschehen, denn sie möchte verstehen welche Rolle Wolle und Co. in den unterschiedlichen Kulturen spielen und inwiefern sie zur Entwicklung verschiedener Gesellschaften beitragen.
Dabei fühlt sie sich gleichermaßen von jenen Personen angezogen, die durch kreative und traditionelle Handarbeit mit den Fasern zu tun haben, wie von Farmern, Nomaden oder Schäfern, die sich um die Tiere selbst kümmern. Vor dem Hintergrund der schnell voranschreitenden Ausbreitung der synthetischen Fasern gilt ihr Interesse zudem jenen neuen Initiativen, die sich den Erhalt der natürlichen Fasern auf die Fahnen geschrieben haben.
Jede Ausgabe des Wild Fibers Magazine ist eine ganz einzigartige Reise für sich und porträtiert einige der beeindruckenden Menschen und Projekte, die Linda Cortright während ihrer Abenteuer persönlich und hautnah kennenlernen konnte. Auf der Webseite befinden sich einige Fotos sowie Videos und darüber hinaus können Interessierte hier die aktuelle Ausgabe sowie Restbestände älterer Hefte online bestellen oder ein Abo abschließen. Darüber hinaus wird dort das Cashmere Community Center näher vorgestellt.
Cashmere Community Center
In Ladakh, einer Division des nordindischen Bundesstaates Jammu und Kashmir, führen die Menschen seit Jahrhunderten einen nomadischen Lebensstil und halten dort traditionell Ziegen. Hierher stammen die weltweit bekannten, hochwertigen Kaschmir-Fasern, für die die lokale Bevölkerung jedoch nie einen angemessenen Preis erhalten hat. Dieser Ungerechtigkeit wollte Linda Cortright ein Ende setzen, und beschloss daher im Dorf Pangong, inmitten des Himalaya-Gebirges nahe des Pangong Sees, das Cashmere Community Center zu errichten. Bereits während der letzten Jahre sorgte sie dafür, dass die Frauen dort lernten Kaschmir zu verspinnen und schließlich mit dem Garn zu weben, so dass sie die Fasern zukünftig selbstständig in Wert setzen und verkaufen können. Rechtzeitig zum zehnjährigen Jubiläum des Wild Fibers Magazine begann sie ihre LeserInnen über ihr Vorhaben zu informieren und Sach- und Geldspenden zu sammeln, um dieses äußerst vielversprechende Projekt verwirklichen zu können.
Damit den Frauen ein warmes, sicheres Arbeitsumfeld zur Verfügung steht, setzte sich Linda Cortright schließlich für den Bau eines Gebäudes sowie die nötige Ausstattung mit Handwerkzeugen ein. Das Cashmere Community Center eröffnete im August 2015 und wird eine beachtliche Veränderung für die Familien in Pangong bedeuten, die bald endlich von besseren Einkommen und mehr Komfort profitieren können.
Eine wunderbare Initiative, die aufbauend auf den Konzepten Hilfe zur Selbsthilfe und Ermächtigung von Frauen eindrücklich das große Potential der Arbeit mit natürlichen Fasern im Entwicklungskontext ländlicher Gebiete verdeutlicht. Wer sich näher für das Projekt interessiert, findet hier einen kurzen Videobeitrag sowie weitere Information zu den Unterstützungsmöglichkeiten.
Die Fotos wurden uns freundlicherweise von Linda Cortright zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!