Wir treffen Manx Loaghtans und Hebrideans und entwerfen eine neue Garnlinie

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Die Schafe haben viel Auslauf auf dem 191 Hektar großen Fowlescombe Gut

 

 

 

 

 

 

 

Unsere Arbeit an neuen Garnen hat uns im Juni letzten Jahres zum Fowlescombe Gut im schönen Devon in Südengland geführt. Wir sind zur Schafschur hingefahren, um die Besitzer Barbara und Richard kennen zu lernen und natürlich ihre außergewöhnlichen Schafe.

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Manx Loaghtan Männchen

Unsere Spinnereibesitzerin Sue hatte uns Fowlescombe empfohlen, als wir gemeinsam an Ideen für neue Garne arbeiteten. Auf Fowlescombe werden Manx Loaghtan und Hebridean Schafe gezüchtet, die vom Aussterben bedroht bzw. sehr selten sind, und der Hof ist für kontrolliert biologische Tierhaltung zertifiziert. Für die stark gefährdete Schafrasse Manx Loaghtan gibt es derzeit nach unseren Informationen nur 2 Höfe in ganz Großbritannien, die diese Tiere nach kbT-Richtlinien halten.

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Rosy wird von einem Heb Lamm stürmisch begrüßt

Das war ein glücklicher Zufall, der ideal zu unserem schon lange gehegten Wunsch passte, unbedingt auch mal was mit europäischen Schafen zu machen. Besonders die Artenvielfalt in Großbritannien mit knapp 60 verschiedenen Schafrassen finden wir faszinierend. Leider ist fast die Hälfte dieser Schafe heute vom Aussterben bedroht, weil sie den kommerziellen Anforderungen – weiße Wolle zum Färben und schnelleres Wachstum der Lämmer für die Fleischproduktion – nicht entsprechen. Auf diese alarmierenden Fakten sind wir unter anderem durch den Rare Breeds Survival Trust (RBST) gestoßen, der sich für den Erhalt bedrohter Schafrassen in Großbritannien einsetzt, und den wir auch in unserem letzten Blogartikel erwähnt haben. Es ist also dringend nötig hier etwas zu unternehmen bevor es zu spät ist!

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Manx bei der Schur

Bei einem Brainstorming mit Sue kamen wir auf die Idee ein außergewöhnliches Melangegarn zu machen, das einerseits aus der Wolle gefährdeter Arten und andererseits aus unserer Merinowolle besteht. Durch die besonderen Farben der Fowlescombe Schafe würde so ein melliertes Garn entstehen mit interessanten Hell-Dunkel-Reflexen, das auch färbbar wäre. Das Mischungsverhältnis müsste dabei natürlich fein abgestimmt werden, so dass sich die Wolle angenehm weich anfühlt. Durch den Aufkauf des gesamten Bestands der Fowlescombe Wolle könnten wir dazu beitragen, dass die seltenen Arten weiter gezüchtet werden, und mit einem Teil jedes verkauften Strangs Garn könnten wir den RBST mit einer Spende unterstützen.

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Scherer Oli mit schokofarbenem Manx nach der Schur

Sue, die in ihrer Spinnerei schon viele Jahre Wolle von seltenen Schafrassen verarbeitet und sich mit deren Eigenschaften hervorragend auskennt, machte sich sofort zusammen mit Spinnmeister Paul ans Werk, Proben für uns zu spinnen. Paul gerät oft ganz schön ins Schwitzen, bis er alle unsere Ideen und Wünsche in sichtbare Ergebnisse umgesetzt hat – aber zum Glück garantiert GOTS ja faire Arbeitsbedingungen (auch für Paul) und auf das Ergebnis kann er stolz sein, wie wir finden!

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Barbara und Richard mit ihren beiden Hütehunden

 

 

Als klar war, dass die Idee tatsächlich machbar war und die Qualität des Garns unseren wie immer hohen Ansprüchen genügen würde, sind wir zu Fowlescombe gefahren, um möglichst viel über diese wunderbaren und schützenswerten Schafe und über die Arbeit von Barbara und Richard zu erfahren. Die beiden schlugen vor, dass die Schafschur, die einmal im Jahr stattfindet, dafür der ideale Zeitpunkt sei. Dabei konnten Sie uns am meisten zeigen bzgl. der Wolle und der Schafe. Wir haben dann kurzerhand unser Office für eine Woche nach England verlegt und uns in der Zeit mehrmals mit ihnen getroffen und so reichlich Eindrücke gesammelt, weil wir auf gutes Wetter warten mussten: Für die Schur darf es zuvor mindestens 2 Tage nicht regnen, damit die Schafe trocken genug sind. Nicht einfach und vor allem nicht gut planbar in England, aber wir hatten Glück (und Oli)!

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Dann die Überraschung: nach der Schur ist es fast schwarz

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Oli schert ein vermeintlich graues Heb

Wir hoffen, dass die Fotos wiedergeben können, was uns an dem Artenschutzprojekt mit Fowlescombe so begeistert, und dass Ihr jetzt Lust bekommen habt, mit der Wolle zu stricken und mit dem Kauf jedes einzelnen Strangs auch selbst etwas zum Erhalt dieser faszinierenden Schafe beizutragen.

Am Freitag den 27.3. starten wir mit dem Verkauf der neuen Melange Garne in unserem Online-Shop und bei verschiedenen Händlern. Ab dann könnt Ihr auf unserer Website auch noch viele weitere Fotos und Informationen über die Manx und Heb Schafe und Fowlescombe finden.

Cheeky Merino Joy zum Selberfärben!

ytd2Viele Handfärberinnen und Handfärber haben uns inzwischen nach Garn zum Selberfärben gefragt. Diese Anregung haben wir gerne aufgegriffen und bieten jetzt auch GOTS-zertifizierte Handfärbergarne an.

Da vor allem große Nachfrage nach der dünnen Garnstärke besteht, haben wir beschlossen, mit dieser zu starten.

ytd1Der Unterschied zwischen dem Handfärbergarn und unserer „Cheeky Merino Joy – Edelweiß“ ist lediglich, dass die Handfärbergarne nach dem Spinnen nicht nochmals gewaschen werden, kein einzelnes Etikett bekommen und nur in 5er-Packs verkauft werden. Preise und alle weiteren Details dazu findet Ihr in unserem Shop.

Wer seine selbstgefärbten Rosy Green Wool Garne gewerblich weiterkaufen möchte, kann uns seinen Gewerbeschein schicken und dann zu Gewerbepreisen bei uns einkaufen.

Lavendelblau und Wollerey sind übrigens zwei der ersten Handfärberinnen, die schon mit unserer Wolle gearbeitet haben. Auf ihren inspirierenden Blogs berichten sie über ihre Erfahrungen.

Ab sofort nur noch Wolle!

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England im Juni: Vorbereitung eines Arbeitstreffens

Gerade hatten wir die zweite große GOTS-Prüfung seit dem Start von Rosy Green Wool und unser Zertifikat wurde erfolgreich verlängert.

Und noch ein Grund zur Freude: Wir haben die Entscheidung getroffen, dass ich (Rosy) ab August meine Tätigkeit als Software-Entwicklerin aufgebe, damit ich mich ab sofort voll und ganz unserer jungen Firma widmen kann. Ich freue mich riesig, das jetzt endlich tun zu können nach den anstrengenden ersten 1,5 Jahren, in denen wir Rosy Green Wool neben unseren Jobs aufgebaut haben. Der Schritt war naheliegend. Aufgrund der großen Nachfrage auf der internationalen Handarbeitsmesse h+h im März und unserer Entscheidung, die Produktion zu vergrößern, wurde klar, dass wir das Ganze vom Aufwand her nicht mehr nur nebenbei schaffen können.

Trotzdem gab und gibt es auch weiter Hürden zu meistern. Von der Entscheidung die Produktion zu vergrößern bis zum fertigen Garn liegen ca. 6 Monate. Rohwolle, Spinnen und Färben müssen in dieser Zeit komplett von uns vorfinanziert werden und erst dann kann der Verkauf langsam anlaufen. Zeitgleich müssen wir dann aber eigentlich schon die nächste Produktion starten, zu einem Zeitpunkt, wo wir noch gar keinen konkreten Anhaltspunkt haben, wieviel Garn wir zusätzlich brauchen werden, da der Herbstverkauf ja gerade erst beginnt.

Sehr viel Zeit habe ich in den letzten Monaten  in die Verhandlungen mit Knitwear Designerinnen investiert, um deren Strickmuster, die besonders schön zu unseren Garnen passen, lizensieren und ins Deutsche übersetzen zu dürfen. Es scheint keine Bedingungen zu geben, die allgemein gültig sind und so müssen viele Details einzeln verhandelt werden. Manche Designerinnen haben zum Beispiel Bedenken, Ihre Muster in andere Sprachen übersetzen zu lassen, andere fordern, dass wir eine große Menge an Lizenzen im Voraus abkaufen. Letzteres stellt für uns als junges Unternehmen natürlich ein Risiko dar, da wir unsere Design-Linie gerade erst starten und noch nicht wissen wie gut sich ein neues Modell verkaufen wird. Nichts desto trotz sind aber schon weitere Strickmuster in Arbeit, von denen das nächste im Herbst rauskommen wird. Umso mehr hat uns gefreut, dass wir so gutes Feedback zu unserem ersten Heft „Eisbachwelle“ von unseren Händlern bekommen haben. So z.B. vom Strickpunkt in Murnau, wo wir gerade wieder zu Besuch waren, uns über neue Produktideen ausgetauscht und viele wertvolle Anregungen bekommen haben.

Nicht so einfach gestaltet sich auch der Versuch, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Nachdem wir in Kalifornien bereits eine Händlerin haben, waren wir im Mai in New York und haben dort einige Wollgeschäfte besucht und unsere Garne vorgestellt. Die Wolle an sich kam gut an, jedoch sagte man uns, Amerika leide noch zu sehr unter der Wirtschaftskrise. Und auch das Thema Bio sei dort noch nicht so stark im öffentlichen Bewusstsein verankert wie in Deutschland. Hohe Einfuhrzölle lassen den Händlern zudem wenig Spielraum. Schade, aber wir bleiben natürlich weiter dran.

Ausserdem arbeite ich mich gerade in Pressearbeit ein. Nach den vielen neuen Themen, mit denen wir uns bisher beim Aufbau unserer Firma auseinandergesetzt haben, ein weiterer spannender Bereich. Was macht eine gute Pressemitteilung aus? Wer gehört auf den Verteiler und wann schreibt man die Redaktionen an, damit sie möglichst im Herbst über uns berichten, aber bitte erst dann, wenn alle Farben wieder auf Lager sind? Nette Unterstützung habe ich dabei von einer PR-Beraterin bekommen, deren Mutter bereits begeisterte Kundin von uns ist.

Ihr seht, es ist wie immer viel los bei uns, aber wir wollen versuchen, Euch weiter im Blog über Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten.

 

 

 

Ein Paket verschwindet und eine Farbe taucht auf

Ich (Rosy) entschloss mich spontan, zum Start des Etiketten-Drucks die Grafikerin in die Münchner Druckerei zu begleiten. Da es ein mehrfarbiger Offset-Druck auf einem besonders hochwertigen Papier und die Auflage sehr hoch war, durfte nichts schief gehen. Es stellte sich heraus, dass es gut war, dass wir vor Ort waren, denn so konnten noch einige kleine aber wichtige Anpassungen gemacht werden. Die Farben hatten noch nicht die richtige Sättigung und die Schärfe der Schriften musste nachjustiert werden. Auch hatte sich eine feine weisse Linie auf der Vorderseite eingeschlichten, wofür wir rasch eine Lösung finden mussten. Glücklicherweise löste sich dieses Problem durch einen größeren Anpressdruck, wodurch sich auch die Farben intensivierten. Mit einem Händedruck mit etwas Druckerschwärze und einigen Blättern des Probedrucks verließ ich, froh da gewesen zu sein, die Druckerei.

Danny beim Färben unserer Wolle

Trotz der genauen Vorstellung, die wir inzwischen von den Garnfarben hatten, war es unheimlich schwierig, diese über die große Entfernung hinweg mit der Färberei zu besprechen. Zudem hatte man dort so viel zu tun, dass das Thema Farb-Matching Gefahr lief sich zu lange hinzuziehen. Und es fehlte ja noch mindestens die Hälfte aller Farben! Deshalb beschlossen wir, noch ein drittes Mal nach England zu fahren, um einige Tage vor Ort mit Färber Danny und Färbereibesitzer Keith die Farben auszuarbeiten.

Das war ein hartes Stück Arbeit, denn das Garn durfte durch das Färben auf keinen Fall seinen schönen Glanz verlieren oder gar wie Acryl-Garn wirken. Zudem sollten die Farben eine besondere Intensität und Leuchtkraft haben, was Danny unter den harten Einschränkungen, die eine GOTS-zertifizierte Färbung mit sich bringt, den kalten Schweiss auf die Stirn trieb. Er schaffte es aber schließlich doch und die Reaktionen, die wir von allen Seiten im Bezug auf die fertigen Farben bekommen, freuen uns sehr!

Keith, Danny und Rosy mit der ersten Färbeladung

Eine Anekdote am Rand: Danny hatte auf unseren Wunsch hin bereits vor ein paar Wochen ein Türkis probiert, das aber – weil ja kein Kupfer verwendet werden sollte – nicht so knallig rauskam wie die Garnprobe, die wir ihm dafür geschickt hatte. Er hatte damals gesagt, wir müssten das Türkis leider weglassen, weshalb es bei unserem Besuch jetzt fast schon in Vergessenheit geraten war. Als wir schon fast bei der Verabschiedung waren, fragte ich, ob er uns nicht doch noch das Türkis zeigen könne, nur aus Neugier, was mit GOTS-Färbung hinzubekommen ist. Er wollte erst nicht recht, ließ sich aber dann doch breitschlagen und siehe da: „Laguna“ ist eine unserer schönsten Farben geworden und viel toller als die Vorlage!

Es kommt auf die richtige Anzahl Umdrehungen an …

Der Druck der Etiketten war so geplant, dass diese genau dann ankommen sollten, wenn wir bei der Färberei sein würden, damit wir dort das richtige Drehen und Etikettieren einiger Probegarnstränge ausprobieren konnten. Beim Drehen ist wichtig, dass die Stränge nicht zu fest werden, da man sonst die Weichheit der Wolle nicht mehr fühlen und das Garn an Elastizität verlieren kann, was im schlimmsten Fall zum Ausleiern des fertigen Strickstücks führt. Einige Zeit verbrachten wir deshalb an dem praktischen Haken, den ein Mitarbeiter von Keith extra für unser Garn entworfen, geschweißt und an der Wand angebracht hatte

Die Etiketten kamen gerade noch rechtzeitig kurz vor unserer Abreise an, aber leider war das Paket bei der Fracht beschädigt worden, so dass wir einige gar nicht mehr verwenden konnten. Als wir es öffneten, eine noch schlimmere Überraschung: Es fehlten einige Farbnummern komplett! Auf den Frachtpapieren standen nur zwei Pakete, offenbar war aber dennoch ein drittes auf dem Weg von München nach England verloren gegangen. Nach ein paar aufregenden Tagen und einigen Recherchen per Email und Telefon konnte es zum Glück doch wieder gefunden und unbeschädigt nachgeliefert werden.  

H + H Messe und wie es mit der Spinnerei weiter ging …

Nun sind es nur noch wenige Wochen bis zum Verkaufsstart und unser Blog hinkt ein wenig hinterher … deshalb gibt es jetzt eine Zusammenfassung der Ereignisse im Schnelldurchlauf, damit wir möglichst bald von dem berichten können, was aktuell passiert.

H + H Handarbeitsfachmesse Köln

Im März haben wir unsere Rosy Green Wool GbR angemeldet, gerade rechtzeitig, so dass ich mit dem noch „druckfrischen“ Gewerbeschein als Besucherin auf die große Handarbeitsfachmesse H + H nach Köln fahren konnte, um mir ein noch besseres Bild von der Welt des Garnhandels machen zu können. Das Ergebnis überraschte mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich: Die meisten namhaften Hersteller in Europa waren vertreten, um ihre Herbst-Winter-Kollektionen vorzustellen – Bio-Garne waren jedoch nicht wirklich ein Thema.

Ein bekannter Hersteller kramte auf meine Frage hin umständlich einige Knäuel aus dem untersten Regal hervor, ungefärbt und von nicht sehr weicher Qualität, auf deren Banderole das Wort „Bio“ zu lesen war. Als ich nach einem Bio-Zertifikat bzw. Nachweis hierfür fragte, sagte man mir, er, der Hersteller, wüssten eben, dass die Bauern von denen er die Wolle bezieht ihre Schafe artgerecht halten. Zertifizierung? Nein, denn sowas sei irrsinnig aufwändig und ausserdem könne sich das ja kein Mensch leisten!

Bald danach stand auch schon unser zweiter Besuch bei der Spinnerei in Cornwall an. Sie hatten unsere Merino-Wolle erhalten und die 16 Kilogramm Vorlaufgarn, das ja gesponnen werden muss bis die nötige GOTS-Reinheit der Maschinen erreicht ist, bereits nach der neuen Spezifikation hergestellt. Alles war bereit für die große Produktion und wartete, dass wir grünes Licht geben würden – sofern das Garn unseren Anforderungen genügen würde. Unnötig zu erwähnen, dass wir nicht gerade entspannt hinfuhren, nachdem wir bei unserem ersten Besuch bereits festgestellt hatten wie schwierig es war, die gewünschte Qualität zu erreichen.

Patrick mit unserer frisch gesponnenen Wolle

Als wir dort ankamen waren wir überwältigt: Unser Garn war traumhaft weich, hatte einen leicht seidigen Glanz und auch die erste Strickprobe zeigte ein wunderschönes Maschenbild. Glücklich und sehr erleichtert reisten wir mit den ersten 16 kg Garn in einem Koffer und einem großen Sack verpackt, zurück nach München.

Ja, wo färben wir denn?!

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Foto: Ken Bosma/flickr

Als wir beschlossen, nach England zu fahren, um unsere Spinnerei kennen zu lernen, überlegten wir, dass es Sinn machen würde auch gleich eine kleine GOTS-Färberei im Norden von England zu besuchen.

Der Besuch entpuppte sich als ebenso spannend wie skurril! Man führte uns in einen Raum, der uns als „das Büro des Chefs“ vorgestellt wurde und in dem es unheimlich viel zu bestaunen gab, während wir es uns bei ca. 10 Grad vor einem kleinen Heizstrahler gemütlich machten: da gab es Berge von Strick-Pullovern, leeren Garnrollen, Unterlagen und alter Computer-Hardware, alles wild gemischt und ganz im Stil dieser britischen 70er-Jahre Krimis, wo alle hinter einer ganz heissen Sache her sind, in ein völlig umgegrabenes Zimmer kommen und dann sagt einer: „Oh mein Gott, sie waren schon vor uns da!“

Der „Chef“ stellte sich als sehr britisch heraus, immer einen Scherz auf den Lippen, und überzeugte uns trotz des eher wild anmutenden Büros durch seine 30-jährige Erfahrung in der garnverarbeitenden Industrie. Seine kleine Färberei managte er seit 15 Jahren, wobei uns schien, dass er irrsinnig viel selbst und mit vollem Einsatz machte, vom Färben und „Hank Twisting“ bis hin zum Ausliefern der fertigen Ware.

Ausserdem beherbergt er eine koreanische Textil-Künstlerin in der Färberei, die uns mit den Worten „Ah, endlich Menschen!“ begrüßte und uns durch die Färbehalle schleppte, um uns stolz allerlei selbstgemachtes Textilwerk zu zeigen, das sie aus Bottichen mit blauen und grünen Flüssigkeiten zog. Einen Umtrunk im Local Pub mussten wir leider ausschlagen, da unser Rückflug anstand.

Wir beschlossen, es mit diesem sympathischen kleinen Unternehmen zu versuchen, vor allem weil man hier mit dem Färben nach den strengen GOTS-Richtlinien schon einige Erfahrung hatte. Damit waren die drei wichtigsten Themen (Wolllieferant, Spinnerei und Färberei) jetzt unter Dach und Fach und es konnte endlich mit der Produktion losgehen!

 

Wie wir nach England fuhren und unsere Spinnerei kennen lernten

Nachdem wir nun eine potenzielle GOTS-Spinnerei gefunden hatten, war klar, wir mussten hin, um ihre Arbeitsweise genauer kennen zu lernen und besser einschätzen zu können, ob sie die Richtigen für uns waren. Wir recherchierten also wieder, sortierten unsere Wollproben, bereiteten die Spezifikation unseres Wunschgarnes in zwei Stärken vor und buchten den Flug.

Wolle in der Spinnerei

Man hatte uns nach guter englischer Art versichert „to have tea and cake ready“, wenn wir nach der 4,5-stündigen Autofahrt vom Flughafen in Cornwall ankommen würden. Das ging dann aber leider völlig unter weil wir gleich in das mehrstündige Meeting starteten, bei dem wir mit glühenden Köpfen diskutierten, wie nun das Wunschgarn technisch hinzubekommen sei. Es herrschte eine angenehme Atmosphäre, bei der uns die Besitzerin barfuss in ihrem Büro mit vielen Schafrassen-Plakaten an den Wänden gegenüber saß und uns der technische Leiter mit starkem Akzent und kleinen Wollflöckchen an der Hose begeisterte. Bis in den Abend hinein sprachen wir noch über Farben und andere wichtige Themen – eins war klar: Das war ein Ort an dem man Wolle sehr ernst nahm!

Es folgte ein weiteres Treffen am nächsten Tag, bei dem man uns die Spinnerei zeigte und alle Prozesse genau erklärte, wobei alles ganz ähnlich aussah und roch wie in der Spinnerei meiner Eltern und Großeltern, die ich in meiner Kindheit erlebt hatte. Ich fühlte mich schon fast zuhause!

Schließlich einigten wir uns auf die Spezifikationen für unsere Garne. Genauso wie die mitgebrachten Wollen würde sie nicht aussehen können, das würden ihre Maschinen nicht schaffen, aber wir fanden eine alternative Lösung.

Wir fuhren zuversichtlich nach München zurück, aber die Spannung blieb natürlich erst mal. Einige Tage später dann der Schock: Bei den extra für uns produzierten Garnproben war nichts von der beabsichtigten Weichheit zu spüren! Die Strickprobe mit diesen Garnen war viel zu hart! Auch die anderen mitgeschickten Varianten waren nicht annähernd das, was wir uns unter höchster Qualität vorstellten. Woran lag es, was war falsch an der Spezifikation oder an der Herstellungsart? Oder lag es doch nur an den 23 Micron der fremden Probe-Wolle?

Wir arbeiteten uns immer tiefer in Spinnereiverfahren und Garneigenschaften ein, bis wir klarer sahen: Unsere weichere Wolle (19,5 Micron) alleine würde die Qualität nicht verbessern. Durch die Stärke des Zwirnens und die hohe Anzahl einzelner Garne ging offenbar zu viel Weichheit verloren. Es folgten nervenaufreibende Anstrengungen und viel Kommunikation, um eine neue Spezifikation für beide Garnstärken auszuarbeiten.

Es waren schließlich drei Faktoren an denen wir ansetzen konnten: die Dicke und Anzahl der einzelnen Garne, sowie die Art wie sie verzwirnt wurden. Wir vertrauten darauf, dass sie es mit diesen Änderungen nun schaffen würden! Wir vereinbarten, dass wir nochmals hinkommen würden, sobald unsere Rohwolle eingetroffen war und sie daraus verschiedene Proben gesponnen hatten. Die Proben liessen wir aus dem Vorlauf herstellen, der sowieso anfällt wenn die Spinnerei nach einer Nicht-Bio-Produktion wieder GOTS-konform spinnt. In unserem Fall waren es 16 Kilo.

Unnötig zu betonen, dass wir schlaflose Nächte hatten, bis es endlich soweit sein würde und wir das Ergebnis bei unserem nächsten Besuch vor Ort würden bestaunen können.

Wie wird eigentlich Garn gesponnen?

Rosy kam eines Abends mit einer Tasche voller Garne heim. Sie hatte den Nachmittag in Wollgeschäften verbracht und hatte eine Auswahl der besten Merino-Wollen dabei. Eigentlich war der nächste Schritt ganz einfach: Wir würden ein Garnmuster auswählen, zur Spinnerei schicken und diese würden das gleiche herstellen, nur in Bio. Nur so einfach war das nicht.

Wir mussten erstmal lernen, dass es zwei verschiedene Verfahren für das Spinnen von Wolle gibt: Das Kammgarnverfahren und das Streichgarnverfahren. Bei Streichgarnen werden die Wollfasern gemischt und dann in einzelne Fasern aufgelöst. Daraus entsteht ein Flies, das anschliessend versponnen wird. Kammgarn entsteht durch Kämmen der Wolle, es werden Verunreinigungen entfernt und die einzelnen Fasern werden parallel ausgerichtet. Streichgarne sind voluminöser, Kammgarne gleichmäßiger.

Aber was wollten wir? In Telefonaten mit Spinnereien klang es so, als würden wir mit unserer weichen Wolle Streichgarne machen wollen. Aber als wir die Muster hinschickten war klar: Wir würden ein Kammgarn brauchen. Damit fielen schon einige Spinnereien aus der Auswahl.

Verzwirnen unserer Wolle

Die nächste Frage war, wie das Garn verzwirnt werden sollte. Es gibt Handstrickwolle, die nur aus einem einzelnen Garn besteht. Aber die Robustheit, Feinheit und Elastizität wird besser, wenn mehrere Garne verzwirnt werden. Manche Hersteller verwenden bis zu 16 einzelne Garne für ein Endprodukt, teilweise indem sie mehrmals verzwirnt werden. So hatten wir ein Muster, bei dem zuerst aus zwei einzelnen Garnen ein verzwirntes Garn gemacht wurde, dann aus acht dieser Zwirne wiederum das Endprodukt.

Neben den Produkteingenschaften, die hier eine Rolle spielen, ist das Verzwirnen auch eine Kostenfrage. Je dünner das einzelne Garn, desto länger muss gesponnen werden. Und pro Zwirnvorgang fallen ebenfalls Kosten an. Wir mussten also mit der Spinnerei die beste Lösung für das Problem finden.